Psychopolitik: Neoliberalismus und die neuen Machttechniken (German Edition) by Han Byung-Chul

Psychopolitik: Neoliberalismus und die neuen Machttechniken (German Edition) by Han Byung-Chul

Autor:Han, Byung-Chul [Han, Byung-Chul]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104030609
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2014-07-03T22:00:00+00:00


Gamifizierung

Um mehr Produktivität zu generieren, eignet sich der Kapitalismus der Emotion auch das Spiel an, das eigentlich das Andere der Arbeit wäre. Er gamifiziert die Lebens- und Arbeitswelt. Das Spiel emotionalisiert, ja dramatisiert die Arbeit, bringt dadurch mehr Motivation hervor. Mit schnellem Erfolgserlebnis und Belohnungssystem generiert es mehr Leistung und Ausbeute. Der Spieler mit seinen Emotionen ist viel engagierter als ein rational handelnder oder bloß funktionierender Arbeiter.

Dem Game wohnt eine besondere Zeitlichkeit inne. Unmittelbare Erfolgserlebnisse und Belohnungen zeichnen es aus. Die Dinge, die erst langsam reifen müssen, lassen sich nicht gamifizieren. Das Lange und das Langsame vertragen sich nicht mit der Zeitlichkeit des Games. Das Jagen etwa entspricht dem Gamemodus, während Tätigkeiten eines Bauern, die auf das langsame Reifen, auf das stille Wachstum angewiesen sind, sich jeder Gamifizierung entziehen. Das Leben lässt sich ja nicht komplett ins Jagen verwandeln.

Die Gamifizierung der Arbeit beutet den homo ludens aus. Man unterwirft sich dem Herrschaftszusammenhang, während man spielt. Mit der Gratifikationslogik von »Likes«, »Friends« oder »Follower« wird heute auch die soziale Kommunikation einem Gamemodus unterworfen. Die Gamifizierung der Kommunikation geht mit deren Kommerzialisierung einher. Sie zerstört aber die menschliche Kommunikation.

»Ein Leichnam beherrscht die Gesellschaft – der Leichnam der Arbeit«, so beginnt das Manifest gegen die Arbeit, das verfasst wurde von der Gruppe Krisis um Robert Kurz. Die Reichtumsproduktion habe sich im Gefolge der mikroelektronischen Revolution immer weiter von der Anwendung menschlicher Arbeit entkoppelt. Die Gesellschaft sei aber niemals so sehr Arbeitsgesellschaft wie in unserer postfordistischen Zeit, in der die Arbeit immer mehr überflüssig gemacht werde. Das Manifest weist darauf hin, dass gerade die politische Linke die Arbeit besonders verklärt habe. Sie habe die Arbeit nicht nur zum Wesen des Menschen erhoben, sondern sie damit auch zum vermeintlichen Gegenprinzip des Kapitals mystifiziert. Nicht die Arbeit selbst gelte ihr als Skandal, sondern nur ihre Ausbeutung durch das Kapital. Deshalb sei das Programm sämtlicher Arbeiterparteien immer nur die Befreiung der Arbeit, nicht aber die Befreiung von der Arbeit. Arbeit und Kapital seien nur zwei Seiten einer Medaille.

Trotz sehr hoher Produktivkräfte bricht heute kein »Reich der Freiheit« an, »wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört«.[37] Marx hält letzten Endes am Primat der Arbeit fest. So hat das »Vermehren der freien Zeit« als die »größte Produktivkraft« »auf die Produktivkraft der Arbeit« zurückzuwirken.[38] Somit kolonialisiert das Reich der Notwendigkeit das Reich der Freiheit. Die »Mußezeit als Zeit für höhere Tätigkeit« verwandle ihren Besitzer »in ein andres Subjekt«, das mehr Produktivkraft besitze als das Subjekt, das nur arbeite. Die freie Zeit als »Zeit für die volle Entwicklung des Individuums« trage zur »Produktion von capital fixe« bei. So wird das Wissen kapitalisiert. Das Vermehren der Mußezeit vermehrt, modern gesprochen, das Humankapital. Die Muße, die zu einem zweck- und zwanglosen Tun fähig wäre, wird vom Kapital vereinnahmt. Marx spricht vom »capital fixe being man himself«. Der Mensch mit seinem »general intellect« verwandelt sich selbst ins Kapital. Eine wirkliche Freiheit wäre aber allein durch eine vollständige Befreiung des Lebens vom Kapital, von dieser neuen Transzendenz möglich. Die Transzendenz des Kapitals versperrt den Zugang zur Immanenz als Leben.



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